Amseln  
27.8.20, 22:09
Geposted von Kerstin Seidel

Amseln



wachsen wie Sommerfrüchte
und Mistelzweige nisten
tief im Astgewöll
dieser Ton reckt sich
der nackte Walnuss
stamm als das Spiegelbild eines Vogels
jetzt Schatten wirft
auf das Papier wickelst
du dich in das leichte Laken
vom Wind und Wunder
singt die Amsel und
fliegt von einer
Krone zur andern


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Dämmeroasen 
15.8.20, 08:27
Geposted von Kerstin Seidel

Dämmeroasen



vom Deich gepflückte
Daliwolken rotblau
wie unser Teppich
in voller Größe entrollte
Umarmung der Farben
flanieren im Sommerzwitschern
umhüllt von geliehenen Ohren,
Armen, Sehnen, meinem
und deinem Lauschen nach
Luft und Licht uralte Formeln
im Einklang erwachender Tage


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WIE? 
13.8.20, 19:31
Geposted von Kerstin Seidel

WIE?



Manchmal gelingt es mir
mich zu verwandeln
in das Rascheln der Blätter
im Kastanienbaum hinter dem Haus,
in die Wärme, die auf den verwitterten
Holzwänden des Schuppens liegt,
in das grüne Licht, das im Wasser schwebt
zwischen den Planken,
in das Schweigen des Sees am Vormittag,

aber wie kann ich dich mitnehmen
dorthin


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Längs des Feldrandes 
10.8.20, 20:58
Geposted von Kerstin Seidel

Längs des Feldrandes



gingst du mir direkt ins Herz
flossen Lilien zusammen,
wogte Weizen und
wurde der Abend klar,
auf einen Punkt, weniger Worte
aber nie sind wir stumm nach
nirgendwo eine so weite Reise,
dass wir nie mehr aufbrechen müssen,
die Augen zeichnen ein Haus,
nicht das Abbild eines Hauses,
die Füße formen einen Weg,
nicht die Vorstellung eines Weges
und den ganzen langsamen Tag
murmelt es Scheitel
in die Haare des Ackers


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EWIG  
9.8.20, 21:45
Geposted von Kerstin Seidel

EWIG



Wir gehen am Ufer entlang
du schwimmst und
ich rufe die Sterne und Engel herbei
in deinen Haaren wohnen die Wellen
kräuseln deine Nase unter Wasser
sprichst du nie, blickst tangbedeckt
aus dem Nass, ich
am Ufer träge suchend
Treibholz, Muscheln höre ich
das Meer rauschen in mir wachsen
Kiemen atmet blaue
Hoffnung, währenddessen
bist du hinab getaucht, suchst
Perlen, Korallen, Schätze
unter der Oberfläche nimmt
dieses schäumende Meer
das Morgen im Strudel
stillt sich die Zeit
bleibt stehen


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GLUTHITZE  
8.8.20, 21:32
Geposted von Kerstin Seidel

GLUTHITZE



Die Bäume haben aufgehört
zu schwitzen, leicht
knusprig und braun die Blätter,
Menschen laufen raschelnd
durcheinander die Autos heiß
und hart füllen die Straßen zum See
auf dem Deich schleudert
ein Windstoß Stimmengewirr
durch die Luft flirrt feurig und
flach atmet der Fluß ist nicht feucht,
getrocknete Wasserfarbe, windstille
Segel im Sonnenuntergang glühen
gelbe Lampen wie Schmelzöfen
und werfen Funken in die Fenster


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Kreta 
7.8.20, 22:34
Geposted von Kerstin Seidel

Erinnerung an Kreta



Diese Zeit,
des Minotaurus
und der Abenteuer des Theseus,
diese Zeit,
in der meine Gedanken
Flügel hatten bis nah an die Sonne,
in der die Träume
jeden Tag auf Rosenfingern kamen
und die Phantasie in Perlpalmen schlief
im Blau der Ozeane
badete das Licht und Delphine
kamen noch ans Ufer
und spielten mit meinen Kindern,
diese Zeit,
in der die Stille pochte
wie das Herz einer Mutter


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FREI 
7.8.20, 06:13
Geposted von Kerstin Seidel

FREI



Die Stimmen der Vögel
strömen über
in mein stummes Licht,
das hinauf wächst
in den Himmel
wie eine Rosenranke
duftend und leicht
zeigt sich stolz
mein Haus trägt
ein Sommerkleid
voll Anmut tanzen
die wärmenden Steine
unter meinen Füßen
liebkost die Erde
den Weg zum Fluss
wo das Herz
den Himmel berührt

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Urlaub  
24.7.20, 16:28
Geposted von Kerstin Seidel

URLAUB



Zeit haben
wie Heu,
weiche Wonne,
wohlhummeln
im Hintern haben so
Pause ohne Ende
endlich sein und
diese Mütze nehmen
voll Schlaf und dann
ein Traum-
tag unter mir die Milch-
straßen bummeln
westwärts halleluja
außer Rand und
Band geraten
endlich mal hören
wie die Flöhe husten
hinter‘n Horizont
die Sorgen sinken lassen
ins Uferlose stranden
und die Fatamorgana
mit Pfirsicheis füttern
bis über beide Ohren
glücklich


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HÄUTUNG  
20.7.20, 19:29
Geposted von Kerstin Seidel

HÄUTUNG



Dies ist mein Pelz
inmitten nordischer Spiegel
glitzert meine Südsee
in der Handfläche, schau
wenn ich ausatme
dehnen sich alle Fenster
nach innen trägt das Licht
Schatten wie an Schnüren
vorbei an einer leeren Wohnung
voller Staubschichten bin ich
ein vehementes Wedeln
über Stuhl- und Tischwolken
Finger gespreizt gemacht aus
Gebet und verlorenem Kind
mit symmetrischen Gesichtszügen
zieht das Lächeln gegen das Rau
der Steine in der Angst des
Windes, such mich nicht
nachts liege ich halbwach und
lege meine Sicht auf die Stunden
zerbrechlich zwischen mich und
den dämmernden Tag setz ich
den Traum und nehme Maß
ohne Abdruck auf dem Körper
zu hinterlassen gebe ich mir
eine zweite Haut


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