Tatsächlich  
12.11.22, 09:00
Geposted von Kerstin Seidel

TATSÄCHLICH



Hinter geschlossenen Lidern
tanzen mich Lichter in den Tiefschlaf,
Tatsachenträume, es gibt Sie,
in meinem Kopf
führten Gott und Teufel ein Gespräch,
die Stimme des Einen
glich dem Hinabsausen
des Beils auf den Boden,
die Stimme des Andern
dem Rieseln einer handvoll Erde
in den Brunnenschacht
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HERRSCHAFT  
12.11.22, 08:33
Geposted von Kerstin Seidel

HERRSCHAFT



Es herrscht der Formularfetischist,
kopflose Anträge für zerbettelte Gesuche nach Sinn
gebeugt über geduldiges Papier
mit gekrümmten Rücken ewig gestriger Genugtuung,
die über Paragrafen getrocknete Seele ersetzt das Denken,
erstickt den Atem mit verstaubtem Verstand,
über den Schreibtischen gerahmte Obrigkeiten,
immer noch gut gebohnerte Flure
sorgen für reibungslose Ablehnung,
leicht zu reinigender Bodenbelag,
falls ein Menschenleib
seine ganze Verzweiflung ausspuckt
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Reduziert  
22.10.22, 08:20
Geposted von Kerstin Seidel

REDUZIERT



Mit dem Sehen vergeht das Hören
bis uns nichts mehr etwas sagt,
als ob Worte zum Sprechen gemacht wären,
reden wir uns um Kopf und Kragen,
verleugnen den Sinn mit
Superlativen, Giganten in Grau,
Mischform des Mittelmäßigen statt
Kreismittig bevölkern wir die Peripherie
mit Perfektion, drehen Worte zu neuen Hülsen,
kauen an wirbellosen Werten, kunstvoll
konstruieren wir Satzbauten und
verstecken uns hinter Sarkasmus,
aber die Sehnsucht sticht überall
in‘s Auge, atmen wollen, sich spüren
im Satz das Subjekt sein, echte Welt
zentriert auf das Wesentliche,
am Grunde des Kreises
ist das Pi nur eine Zahl
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Blickkontakt  
19.10.22, 18:46
Geposted von Kerstin Seidel

Blickkontakt



Es gibt Brot an diesem Tisch,
um diesen Tisch sitzen Freunde,
sie sprechen in der Farbensprache,
singen sinnliche Lieder,
die Angst nutzen sie als Trampolin,
fliegen statt gehen, im Garten
entzündet der Mond seine Mandelaugen,
ihr Augenschein ist Ohrenschein -
klingen Herztöne,
Nacht für Nacht hören sie das Lied
der alten Meister und ihrer vielen Melodien
weben Wellenmuster unter Wunden
und Ihre Hände sind voll und sind farbig
und sind frivol tanzende Schatten
tagtrunkener Träumer,
halten ihren Schmerz für zu klein,
kläglichen Kram, fast blind,
verrieben die Scham,
das Staubtuch trocken und leer,
über dem Tisch tickt
die alte Küchenuhr eine neue Zeit
in die Runde starrt die Dunkelheit
und sucht Blickkontakt

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Blau 
16.10.22, 15:04
Geposted von Kerstin Seidel

BLAU



Ahnungsloses geblümtes Gras abgekaute Halme,
diese Habgier
bis zum Horizont trägt die Erde ihre
Narben unter der Haut,
aber Baumbestände am Deichrand,
wertvolle Buche, Holz schwimmt
immer oben bleibende Wärme,
abbaubarer Rohstoff für Ruhezeit
das Bild fällt aus dem Rahmen
liegen wir plötzlich gehäutet,
rindenloses Rückgrat,
papierdünne Randerscheinungen, wir,
blaue Bruchteile im Weiß der Wolken
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Flüsterer 
3.10.22, 20:07
Geposted von Kerstin Seidel

Der Flüsterer



Das kannst du nicht,
das schaffst du nicht,
du bist ja noch ein Kind,
das Leben ist ein Kriegsgericht
für die, die Kinder sind.

Das kannst du nicht,
das kriegst du nicht,
du bist doch noch so klein,
im Dunkel ist kein Licht,
für dich bleibt schöner Schein.

Das kannst du nicht,
das darfst du nicht,
du bist doch so naiv,
das Volk, das liebt es schlicht,
erstick den Mut mit Mief,

Das kannst du nicht,
das weißt du nicht,
du bist ja so dumm,
der Kluge denkt bevor er spricht,
drum sei du schön und stumm.
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Grau 
2.10.22, 12:26
Geposted von Kerstin Seidel

GRAU



Schwere, undenkbare Sterne,
wie von Norden heranrollende Steine,
brennende Blitzkasskaden
auf zerrissenen
Blickfangvorrichtungen,
die sich in die Realität bohren,
zermahlen etwas in uns,
hier ist der Ort, wo
das Schlafzimmer der Mutter
geparkt wird und das kranke Kind
hinter der Tür lernt, Hinweise zu deuten,
im Dunkel ist keine Leere,
im Dunkel ist Eis,
in den Ecken des Zimmers
stehen erstarrte Engel und
flüstern mit zitternden Stimmen
Gebete ins gewaltige Grau
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Tatsachen  
25.9.22, 08:35
Geposted von Kerstin Seidel

TATSACHEN



Ich bin das Papier,
nicht der Stift,
Ich bin das Da!,
nicht das Wo?,
Ich bin das Bier,
nicht das Gift,
Ich bin das A,
nicht das O,

Ich bin der Dorn,
nicht die Rose,
Ich bin der Traum,
nicht der Tag,
Ich bin der Rock,
nicht die Hose,
Ich bin der Baum,
nicht der Sarg,

Ich bin der Bote
nicht die Kunde,
Ich bin das Eckig,
nicht das Runde,
Ich bin der Zeiger,
nicht die Uhr,
schreibe Verse immer
Oder schlimmer,
sage, was ich denke nur
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Am Morgen  
22.9.22, 12:24
Geposted von Kerstin Seidel

AM MORGEN



Der Fluss hat seinen Blick verschleiert
doch steht er
am allerklarsten an den Stränden
geöffneten Auges im Grün.

Die Stadt ist näher getreten
vielleicht senkte ich doch meine Augenlider
in der Nacht fließen Linien zusammen,
am Morgen singt der Vogel schöner
durch die Augen hindurch,
wenn das Licht Blüten unter
die Netzhaut sticht.
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Gegen die Zeit  
18.9.22, 08:42
Geposted von Kerstin Seidel

Gegen die Zeit



Du siehst mit deinen Händen
nichts geht verloren, alles ist
ein endlicher Punkt, Wendepunkt,
dort ist der Himmel geräumig,
den Uhren entrückt,
einen Gedanken lang- lichtschnell,
schwarz spürst du die Zeit
ist der Himmel, der dem Auge enteilt,
geräumiger Ort für Ohren und Herzen und solche,
die rückwärts gehen

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