Tagesanbruch/ Rückzug  
6.4.24, 08:27
Geposted von Kerstin Seidel

Bei Tagesanbruch



höre ich die Wildgänse über dem Deich,
ihr kehliges Rauschen,
als streifen Ihre Schwingen
die schiefergraue Decke der Sterne,
das betaute Gras glitzert in glazialem Grün
und der Fluss wölbt seine silbernen Wellen
bis zum Uferrand gehe ich barfuß
schiebt sich Zerbrechlichkeit zwischen mich
und die Dinge im Dunkeln werden die Fragen kürzer,
konvertiert Gewissheit zum Glauben,
ich schließe meine Augen und
markiere die Stationen meines Rückzugs mit Stille,
in mir erfinde ich
die Form der Verschiedenheit,
die pendelnde Bewegung von Bedeutung,
die Forderung der Freiheit
und während Wellen wuchtig das Ufer brechen,
lege ich mein Herz in das lichtgeflutete Land
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Balance/ Schweben/ Schwerelos  
27.3.24, 10:17
Geposted von Kerstin Seidel

BALANCE



Das Licht kitzelt wie ein Flügelschlag
Libellenlieder beklingen das Blau
steigt auf sektperlige Sekunden
bis zum Siedepunkt der Siebte Himmel
erschreckend hoch die Bäume wurzeln
und wispern mir zu wie Weisen:
da bist du ja, mein Waldmädchen,
Wildblume, Weizenfeld, endlich zuhause!
Lass uns leben wie ein Schwarm, zusammen dort,
wo die Maschinen stoppen
stehen vier Wände und warten auf uns,
doch ich will nicht ins Trudeln geraten,
die Balance im Blau,
das schwerelose Schweben der Libellen,
es gehört zu mir!
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Ikarus  
24.3.24, 11:24
Geposted von Kerstin Seidel

Ikarus



Du siehst das Blau des Himmels
über dir die lichte Leere und
die Fülle deiner falschen Federn
trägt dich empor
zur Freude der Verblendung und doch
fatal die Sonne fordert deinen freien Fall
der Sturz der Hybris du flogst blind
in schwindelndem Schein das Leben
bleibt erhaben über jeden Zweifel das
Gesehenwerden dieser kleinen Dinge-
Menschen schrumpfte dein Blick
zu Miniaturen in der Masse
triumphiert der Trotz und
Passendes war zum Programm
geprägt der Mensch beschwert
mit Bestimmung und Bewusstsein
Du Ikarus
warst der Beweis:
Der Mensch,
will nicht gerettet werden
sondern fliegen
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Freiheit  
3.3.24, 09:14
Geposted von Kerstin Seidel

Tanzen



Wir wirbeln über das Parkett
die Luft zittert im Zimmer
drehen uns Lieder schwindlig
ins Leuchten ein Gebet um Grazie
und Glück kreisen, kreuzende Körper
im goldenen Licht der Lüster, keiner
weiß was kommt, so viele Türen
stehen offen und warten auf unsere Flügel

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Bienen  
11.2.24, 11:24
Geposted von Kerstin Seidel

BIENEN



Die Bienen, zum Beispiel
jede Wabe ein Wunder gefüllt
mit Süße, gleichmäßig und gut
auch im Winter ist genug da
für Alle gesorgt hört zu
wie sie dennoch das Lied
der Mäßigung summen,
unsere Welt, mit oder ohne Königin,
ist durch Reden real,
Zungengeneriert jede Sekunde
stürmt eine Silbe ins Geläufige,
die Bienen aber übersetzen
den warmen Wind,
der sich um mein Haus legt
wie ein weicher Schal, lasst uns
ihr Summen sammeln und
übersetzen in Worte, die wir
nur nachsprechen müssen
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Worte 
4.2.24, 09:17
Geposted von Kerstin Seidel

IMAGO



Bedenke bitte, alles ist möglich,
alles ist erfunden, die Wahrheit,
die Menschen, deine Kinder,
dein Hund, das Wetter,
wenn es regnet, die Zeit

Die eigene Sprache - vor allem die,
sie ist rein erdichtet,
löchrige Wortweberei,
und die Sprache der Anderen in ihr,
von vorn bis hinten ersponnen

Die Erkenntnisse sind bis ins Detail konstruiert,
das Lernen erster Worte
bis zum Sprechen des letzten Satzes,
der dein ganzes Wissen Lügen straft -

Dein Fühlen ist pure Fiktion, sich selbst
zu zügeln bis aus Hass und Angst und
all dem Ausgedachten und Verneinten
Liebe wird, die der Vorstellung entspringt

Oder du vergisst das Alles und
erfindest dich neu!
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Ofen 
3.2.24, 07:48
Geposted von Kerstin Seidel

Für meinen Kaminofen ❤️:



Du, Herz meines Hauses,
wenn deine Wärme
durch Räume pulst
schweigt die Zeit,
zieht der Winter vorübergehend weiter,
schneefreie Dachziegel
demonstrieren deinen Sieg,
deine Flammen entfachen Fantasie,
dein knisterndes Lied singt von Frieden,
dein Licht leuchtet liebevoll
umarmst du meine Augen in rot und orange,
Vergänglichkeit ist deine Kraft,
Buchenholz brennt heller als Birke,
du, mein beständiges,
gemauertes Versprechen
auf Geborgenheit
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Wider die Nazipest ! 
27.1.24, 12:42
Geposted von Kerstin Seidel

AB JETZT!



Nicht schwarz, nicht weiß,
nicht kalt, nicht heiß,
kein falsches Bescheiden,
kein Ehrgeiz zum Leiden
und niemand hat Schuld

Kein Rauf, kein Runter,
kein Oben, kein Unter,
nicht laut, nicht still
nicht Nichts, nicht viel
und stets mit Geduld

Nicht herzloses Denken,
nicht raffen, nicht schenken,
kein Müssen, kein Sollen,
kein Neiden, kein Wollen
und alles im Stück

Kein Suchen, kein Finden,
kein Halten, kein Binden,
nicht führen, nicht lenken,
nicht selbst nicht denken
und kein Weg zurück
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Schönheit  
3.1.24, 19:19
Geposted von Kerstin Seidel
Aus meinem Zyklus: Beauty

EINBLICK



Gezeigt wird
die makellose
Oberfläche spiegelt
Schönheit auf schmalem Stengel
die Rose zu rot, zu laut
Perfektion in Propaganda
aus dem Innern
tief verborgen im Zweifel
der leise Makel des Zerissenen
würdevolle Unvollkommenheit
können wir doch gekonnt
verhüllen den Hass
und das Hässliche
bedecken mit Hohlem
im Moment der Maske
Megasein in gigantischem Glamour
bis der Spiegel sagt
schau genau hin

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Weihnachten  
22.12.23, 12:58
Geposted von Kerstin Seidel

GEDANKEN ZUR WEIHNACHT IN MEINER STADT



Eine Plastikwelt, die jedes Echte
plump entstellt, wo Wärme nur
aus Bechern dampft und Dumpfes
durch die Straßen stampft,
an jeder Ecke sitzen Bettler,
auf Plätzen warnen Welterrettler
vor dies, vor dem und das zu viel,
ein nimmermüdes Possenspiel
die Krippe vor dem Coffeeshop
wie jedes Jahr ein öder Flop,
vorbei drängt sich buntes Treiben,
keine Zeit zum Stehenbleiben, schnell,
schnell huscht die gehetzte Menge
zum Glühweinstand in das Gedränge
klingen, singen fromme Lieder
vom Hüttendach schauen Engel nieder,
fein in Zellophan gehüllt
das Schmalzgebäck die Seele stillt,
so fettig, süß und klebrig heiß,
das Karussell dreht sich im Kreis
zum Liede, „lasst uns froh und munter“,
die Kinder warten auf das Wunder,
das die Weihnacht bringen soll,
Eltern stopfen Taschen voll
und alle merken irgendwann,
das man sich Glück
nicht kaufen kann
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