25.7.21, 11:16
Geposted von Kerstin Seidel
Muttersprache
beginnt mit meiner ersten Spucke
zersetzt staubige Märchen, Bibel-
Geschichten, die Opa leise liest
im Sessel im Kerzenschein die
gedruckten Buchstaben gesetzt
mit echten Lettern aus Blei was
Bleibendes diese Macht der Worte,
die ich hörte und später las ich
und erkannte das Lächerliche im
Großen und Ganzen und die
Schönheit im Schaufenster von
Tante Ginas Schreibwaren,
meinem Lieblingsladen mit Schul-
und Zeichenbedarf der Geruch
nach Büchern und Druckerschwärze,
hier begann Heimat und ging
die Oppauer Chaussee hinauf
und später wollte ich die Worte
durch mich selbst erfinden,
sollte mich Sprache ersetzen,
das musste misslingen,
ich blieb unausgesprochen, leer,
totenstill, das blanke Entsetzen
als ich das Hochdeutsche erlernen
musste als wäre das meine zweite
Muttersprache verschwand der Geruch
soweit meine Geschichte
mehr nicht