Am Abend  
18.4.20, 08:35
Geposted von Kerstin Seidel

AM ABEND



Der Frühling ertrinkt in Farben
Buchen bluten aus
Tauhalme fließen
verflochtenes Glitzern
gelb glüht der Ginster
in schwerelosen Blüten
schweben Fäden
flechten Netze zwischen
grünende Zweige baut
die Amsel ein filigranes Heim
ahnungslos ist das Rauschen
der Kirschbäume weit
leuchtet ihr weißwelliges
Wiesengrün macht mir wieder
und wieder den Weg frei
flüchtet mein Traumvogel
in‘s Uferlos und die Turmglocke
schlägt das Lied der Vergänglichkeit
zwischen den Fingern
fühle ich die letzte
Wärme des Steins


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Weiter 
17.4.20, 07:30
Geposted von Kerstin Seidel

WEITER



Und es geht weiter
mit stockendem Atem
mit stolpernden Herzen
vor Angst blankem Salz in Wunden
der Geschmack nach ewigem Schnee
Hagel, Stürme,
uns freundlich gesonnener
der März und jeder
trägt seinen Mut
hinter zerschossenem Schild
weiter


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Angst  
15.4.20, 13:49
Geposted von Kerstin Seidel

ANGST



Zittert zerfällt Ordnung krepiert
in schwarz brüchig das Bewusstsein
raus wollen in Bekanntes opferbereit
Mitleid ist am ernsthaftesten grundlos
schön der Frühling Freunde
der Frühling es schneit Stacheldraht in mir
schweben Kristalle zum Meer
zum Beispiel weißgefliest das Bad
bleibt keimfrei antiseptische Musik mit Mundchutz
lächeln die Augen mehr
Leben in wenigen Tagen
spenden Statistiken uns Trost
die Macht beschließt Maßnahmen zum Schutz
hinter Glasscheiben sitzen Kassiererinnen
scannen Zahlen der Tod ist teuer
das Geld unhygienisch sauber
mit Karte zahlen Zahlen Bewegung in Kurven
nach oben himmelblau im Garten
Alltag spielt Normalität den Grill
auspacken und essen und trinken
und leben mit der Angst täglich
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Auferstanden  
12.4.20, 10:18
Geposted von Kerstin Seidel

AUFERSTANDEN



Ich döse im Mittagslicht
tanzen die Flusen vom Regal
regnet staubiger Segen,
sie tanzen die pinke Polka,
sie tanzen den Shuffle, groß ist
das blitzende Messing
des singenden Saxophons

Mein Liebster ist
des blitzenden Messings Prophet:
Tenor Blues und im
paradiesischen Cinema
vor dem Bücherregal wirbeln
die Worte: Sing, Sing, Sing, Sing

Kreischend fliehen die Flusen,
denn auferstanden aus dem Grabe
tanzt ein glücklicher Gott
quer durch das Zimmer,
lebend in den drei Himmlischen
und jemand wie mir


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Sicher 
10.4.20, 09:38
Geposted von Kerstin Seidel

SICHER



Schwebend zwischen Schönem
und Schmutz starr,
seit Angst besetzt
Herzen und Träume

Mit gläsernen Füßen
taumelt die Nacht durch die Felder
trägt Erde im Mund atmet
weiße Tücher und Tränen

Ich öffne das Fenster
den wirbelnden Händen des Windes,
die mich fassen und halten
wie man ein Kind aufhebt und trägt


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Engstirnig  
9.4.20, 10:24
Geposted von Kerstin Seidel

ENGSTIRNIG



Den Brustkorb
an seinem Henkel tragen
die Herzkammer geöffnet
mit der rechten Hand
den linken Rippenbogen spannen
die Lippen geschlossen
das Wort auf der Zunge zergangen
dabei
das eigene Vordertürchen
verschlüsselt wissen
aber
rücklings einen Fuß in die Tür stellen
und sowieso den Hals
immer voll haben


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Freund 
8.4.20, 11:51
Geposted von Kerstin Seidel

FREUND



Alles verlier ich
am Meer
das raunend alle
meine Geheimnisse trägt
wie ein Freund
bleiben salzige Spuren
auf meiner Haut
ist keine Liebe stärker
und kreisen seine kühlen Lippen
um mein waches Ohr
halt ich die Stille
zwischen dünnen Fingern
sein Rauschen ist der Sinn
aller meiner vielen Worte
mit denen ich in Betonwüsten
voller Hoffnung
Leben gieße
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Heilung 
8.4.20, 11:43
Geposted von Kerstin Seidel

HEILUNG



Es wandelte nicht der,
der auf der Trage lag,
sondern die,
die ihn hinein trugen
Auf ihren tauben Schultern,
den eingefleischten Schmerz
im gebeugten Rücken,
Die Griffe der Bahre schlüpfrig
vom Schweiß und sie ließen nicht nach,
hoben ihn empor unters Dach,
Zurrten ihn fest, standen und warteten
dass der Schmerz der Seile schwindet
in den Händen die Wunden und
Unglaube verging, jene die ihn
schon immer kannten,
werden Wunder sehen
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Bizarr 
8.4.20, 11:37
Geposted von Kerstin Seidel

BIZARR



Krankenhausangst
als Kind in kathedralen Fluren
zurückgelassen in multiplen Mutationen
artifiziell genormte Gene gerinnen zu Gift
metallisch alles zersetzt zu schlechtem Plasma
eines Plastiktütentraums virtuell
fortgepflanzt, der nicht erwacht
von Zukunft und Vergangenheit intubiert,
in kränklichen Himmelüberflutungen von Gelb,
mit hyperkinetischer Selbstzurücknahme
am bösen Ende der Imitation, im Atembehalten,
in einer unterseeischen Unwirklichwelt
schwimmend, die Ausschüttung
in Wellen, in atmosphärischen
Schlieren, schwebend, sehr hoch
die Sterne strahlen noch

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Hoffnung 
8.4.20, 11:34
Geposted von Kerstin Seidel

Die Hoffnung setzen



in weiche Erde tief
die Angst streichen
in der Farbe
reifer Aprikosen
gegen das Aufblühen
des Grams,
ihm beizukommen suchen
mit dem Keimen
bestätiger Träume
auf einem Weg
über holprige Steine,
die sich sträuben
gegen geordnete
Schritte mögen Füße andrer
leichthin reden und reden
maßgeschneiderte Muster
ins geschliffene Parkett,
ein Tanz aus der Reihe jetzt du
Figuren formen aus Lehm
mit lachenden Mund singen
vorm Morgen mit aufgeschlagenen
Knien endlich den Zufluchtsort erreichen:
HEIMAT
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