Mein Wort  
12.9.21, 08:50
Geposted von Kerstin Seidel

Mein Wort



will ins Licht,
dieses gierige Tier
liegt und lauert
bis die Innenwelt
sich entblößt wuchern
Wahrheiten in Gedanken,
leichte Geburten des Kopfes
in die Welt, rar geworden
sind die Orte,
an denen sich das Wort problemlos
an seine Abstammung erinnert
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Geduld  
4.9.21, 10:02
Geposted von Kerstin Seidel

GEDULD



Gib dir die Zeit und Unerschrockenheit:
Geduld und Tat in gleichem Maße
und Licht und Dunkel,
nur was Schatten wirft,
bleibt Kontur, bleibt Körper übend
den Schein und Schweigen, nicht
weitersagen, was du siehst ist
dein Bild von Welt und Wir finden uns
gestärkt, lebendig nur
was sich öffnet,
blüht
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Afghanistan  
22.8.21, 17:04
Geposted von Kerstin Seidel

AFGHANISTAN



Zerstückelung von Wir
in Du‘s und Ich‘s,

gottlose Hälften
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Manchmal  
22.8.21, 15:47
Geposted von Kerstin Seidel

Manchmal



gelingt es mir
mich zu verwandeln
in die Wärme,
die auf der Holzwand liegt,
in das grüne Licht,
das im Wasser schwebt,
in das leise Summen des Sommers,
über dem Horizont
wo es kein Später gibt nur
den Moment der Metamorhose
in dem mein Selbst
sicher ich bin

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Nackte Wahrheit  
22.8.21, 15:46
Geposted von Kerstin Seidel

NACKTE WAHRHEIT



Wenn wir aufhören
über uns miteinander zu sprechen,
werden die Dinge zu uns sprechen,
über uns hinweg
reden die Bäume in Gebeten,
verleugnete Namen werden wahr,
der Tatort ist begehbar,
hinter unserem Rücken
verwandeln sich Brotkrumen
in Wegsteine und der Schlüssel
unseres Geheimnisses ist verloren,
dann tätowiert der Sommer
mit eisiger Nadel moralische Maske
irgendwer hat uns die Decke
weggezogen, um zu sehen,
ob wir nackt schlafen
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Wortgeburt 
31.7.21, 18:47
Geposted von Kerstin Seidel

WORTGEBURT



Die Geburt des Wortes ist
ein Schrei in Wehen mitten
aus der Hölle gefahren
nach einer Wette auf Gott
verloren, verletzt, verbrannt
in Buchform auf Scheiterhaufen

Die Geburt des Wortes ist
ein Gebet, das sich selbst verbrennt
und neu erfindet, aufersteht
in Schönheit ohne Scham

Die Geburt des Wortes ist
eine Ahnung, die Flammen schlägt,
ein Kleid aus glitzernden Ideen
oder eine echt glatte Rasur

Die Geburt des Wortes ist
ein Weg aus der Einsamkeit

Die Geburt des Wortes ist
eine Warnung vor Wiederholung,
vor dem Onanieren ohne Erektion

Die Geburt des Wortes ist
eine Eruption der Gedanken,
Taten folgen

Die Geburt des Wortes ist
endlos, erlösend, irre, ergreifend,
wild und mild und schlaff,
zerrüttet, kaputt und
ans Licht gezerrt
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Muttersprache  
25.7.21, 11:16
Geposted von Kerstin Seidel

Muttersprache



beginnt mit meiner ersten Spucke
zersetzt staubige Märchen, Bibel-
Geschichten, die Opa leise liest
im Sessel im Kerzenschein die
gedruckten Buchstaben gesetzt
mit echten Lettern aus Blei was
Bleibendes diese Macht der Worte,
die ich hörte und später las ich
und erkannte das Lächerliche im
Großen und Ganzen und die
Schönheit im Schaufenster von
Tante Ginas Schreibwaren,
meinem Lieblingsladen mit Schul-
und Zeichenbedarf der Geruch
nach Büchern und Druckerschwärze,
hier begann Heimat und ging
die Oppauer Chaussee hinauf
und später wollte ich die Worte
durch mich selbst erfinden,
sollte mich Sprache ersetzen,
das musste misslingen,
ich blieb unausgesprochen, leer,
totenstill, das blanke Entsetzen
als ich das Hochdeutsche erlernen
musste als wäre das meine zweite
Muttersprache verschwand der Geruch
soweit meine Geschichte
mehr nicht
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Vorwärtsgang  
6.7.21, 20:47
Geposted von Kerstin Seidel

VORWÄRTSGANG



Nichts, nur das Morgen ist sicher,
nach jedem gleichst du mir mehr,
tritt aus dem Bild, denn wir sind echt,
ich mit dem brennenden Herzen
unter eisigen Sternen und du
Aug in Aug mit der Sehnsucht,
dich zu befreien aus dem bläulichen
Schimmel der Zeit, von dem
angeborenen Rost und du schläfst
unter dem Treibsand der Jahre,
Hand in Hand mit der Geduld und
der Freude auf mehr, auch wohnt,
was niemand ahnt, hinter
der Leinwand deiner Wange zur Miete,
ein zärtlicher Biss in zartes Gewebe
aus guten Gedanken,
lichtschnelle Wendepunkte
so fällst du nach oben, denn
der Himmel ist geräumig,
für solche, die vorwärts gehen
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Das Haus flog fort 
27.6.21, 09:39
Geposted von Kerstin Seidel

Das Haus flog fort



ein Schwarm schwatzender Elstern
zerpickte die Tür zu Splittern
zerbrachen die Wände verbrannten
wie Zigarettenpapier
sie antwortete mit Schweigen
in blickdichte Fenster
splitterte Stille, Wände zeigten
ihre rissige Schönheit
war jeden Tag anders,
in den Händen der Menschen
lag der Schlüssel zum Korridor,
ein Labyrinth beweglicher Worte,
niemand fand den Weg hinaus
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Abschied  
22.6.21, 20:46
Geposted von Kerstin Seidel

ABSCHIED



Was konnte nur die Tür dafür,
dass es ihr fehlte an Gespür,
nun stand sie starr und stierte,
weil sich die Tür nicht rührte,
egal, mit welcher Wucht
in jedem Tritt,
mit welchem Schrei
bei jedem Schnitt,
das Holz blieb hart
und ungebeugt,
sie hat es oft und oft bereut,
sie stand davor und er dahinter,
sie liebte ihn, er sie nicht minder,
noch viel gab es zu sagen,
was ungesagt, dann blieb,
er antwortete ihr nie,
egal, was sie ihm schrieb,
er blieb ihr fern und sie ihm nah,
sind Türen nicht
zum Schließen da?
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