Unbewaffnete 
5.3.22, 16:38
Geposted von Kerstin Seidel

UNBEWAFFNETE



Wochenlanger Regen
schwemmt alle in sich zurück
Löwenzahn und Zweifel wachsen
wütend kreischen Möwen ihren Stachelgesang und
vor dem Haus wetzt der Mut
dem Verzweifelten ein Messer,
mein Atem wiegt das pulsierende Gras,
grünes Blut pocht über den Platz,
im Beet blühen Narzissen,
ich spüre ihre Dornen im Fleisch,
Niemalsdorn, Niemandsland,
Narzissen sind unbewaffnet
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Frieden  
5.3.22, 08:49
Geposted von Kerstin Seidel

FRIEDEN


Unter dem Holzhauspark fließt
ein Fluss aus Gold und alle Schatten
kehren zu ihrem Ursprung zurück,
dein Bart treibt aus den kalten Gräsern
im Morgentau fühle ich
meine Haare wachsen
aus dem Holunderhut,
aus der Erlenjacke,
auf meiner Birkenhaut
glitzert erstes Grün,
die Wiese kommt langsam zu mir
und ruht sich aus, am Deich
steht die Elbe still,
ich will sagen, der Fluss
verrinnt und die Vögel
verharren im Flug
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Betende  
27.2.22, 17:50
Geposted von Kerstin Seidel

BETENDE



Wenn Angst wächst innen,
sehe ich was ich selbst bin.
Mein Herz schlägt Wurzeln
in die Dunkelheit
trägt das Schweigen im Bauch,
gebiert Sterne und
bringt sie von einem Nest ins andere.

Ich bin durch die Klauen
der Sprache gerutscht,
rolle mich unter den Rand der Rache,
versuche zu schlafen
unter einem riesigen Himmel.

Aber die Worte, die ich liebe
lassen sich sagen
mit der Stimme des Bettlers,
mit der Stimme von einer,
die über kahler Erde
die Hand aufhält und wartet.
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Im Keller- Frieden  
26.2.22, 09:23
Geposted von Kerstin Seidel

Im Keller



schwebt das kalte Fallbeil
bombenbumm aus mit dem Frieden -
Angst zeichnet die Wand ab
hinter der ich sitze,
draußen verfällt Regen
zu messbarem Segen,
Götter und Sirenen höre ich,
obwohl die Entfernung
mich lauthals selig spricht,
flüstert der Tod, „ich krümme
Euren aufrechten Gang,
kehre Euer Herz nach außen,
flieht, flieht,
ich verschone niemand“,
niemand,
der es nicht verdient,
geborgen zu sein
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Heilig 
20.2.22, 11:15
Geposted von Kerstin Seidel

HEILIG



Lesen in den Runen
deines Rückens
von vergangenen Tagen
des Rebstocks reife, süße
Trauben im Moment
des ersten Tempels und
der Zeiten davor

Wer schenkt uns
Äonen Jahre der Genesung
Wer schenkt uns
Meilen leuchtender Lichterketten
im Schatten des Mondes
wächst das Wort und
erreicht mein Haus
noch vor Anbruch der Nacht

Heilig die Blicke
im Tabernakel
Veränderlichkeit
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Du bist frei  
13.2.22, 17:03
Geposted von Kerstin Seidel

Du bist frei


fege deine Stube und räume ab
und zu die verstaubten Gedanken
aus dem Regal sortiere
die abgelegten Lieben in Ordner wie
Falls, Fast, Fatal zum Fenster
werfe Träume hinaus wo sie
Davonfliegen können

Fege mit Federn den Schrank leer und
schaffe dir Platz für Flügel wo ich mich
Mit dir treffen werde am Himmel
(Es muß ein blaues Plätzchen sein mit viel
zärtlichen Wolken damit ich zu Dir sagen kann,
Ach das verrate ich nicht)

Mit der Motorsäge gehe ich auf die sinnlosen
Stunden los denn du brauchst viel Raum für das
Liebesgeflüster das lange in der Luft schweben soll
ohne anzustoßen

Hole dir Rat im ersten Kapitel Moses beginne mit
dem Himmel
Zimmere dir ein Gespann zurecht das ich voller
Rosen packe die alle brennen wenn wir durch die
Wolken fliegen
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Bitte nicht! 
11.2.22, 18:01
Geposted von Kerstin Seidel

Bitte nicht!



Denken Sie jetzt nicht
an wolkenloses Wetter
oder an Spatzen,
die von Dächern singen,

Denken Sie jetzt nicht
an spielende Kinder
oder an Damen,
die auf Schaukeln schwingen.

Denken Sie jetzt nicht,
an fröstelnde Pfoten
oder an Bären,
die im Dunkeln tappen.

Denken Sie jetzt nicht
an magere Mädchen
oder an Hunde,
die sich Knochen schnappen,

Denken Sie jetzt
an ein schönes Gedicht,
aber bitte nicht an dieses,
Bitte nicht!
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Mein Land  
5.2.22, 11:48
Geposted von Kerstin Seidel

MEIN LAND



Besetzt die Haut mit frostigen Beulen
blau die Lippen gefrorene Grüße
an vergangene Glaubenssätze,
Kommandantin meines Lebens,
die ich meinte zu sein,
nun habe ich das an zwei Zeiten
grenzende Land besetzt
mit verletzten Mauern,
aus denen der Mut bröckelt,
zu Eis erstarrt -
Frostige Falle,
aus dem Fenster zur Freiheit
blicken leere Kinderaugen,
Erinnerung an bessere Tage,
heute das Spielen in nackten Parks,
promenieren auf menschenleeren Plätzen,
Warten auf was,
zitternd in der Kälte deines Lächelns
gefrorene Tränen behutsam
werde ich auf dir gehen,
werde ich zu dir kommen
zurück auf offenen Straßen
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TOTES 
4.2.22, 13:33
Geposted von Kerstin Seidel

TOTES



Wasserhauchendes Wintermärchen
hier sonnenbeblümte Sätze:
Neugeboren stolperten Lichtstrahlen
landeinwärts, Hüter der Stunde ebenso

Soeben hinter dem Waldfriedhof:
die Totengräber

Polsterten ungeborene Maiblumenrosen
ihre totenwachenwirr
herauswachsende Seidenraupen
weben Gruftgewänder
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Panik 
29.1.22, 20:52
Geposted von Kerstin Seidel

PANIK



Wir stechen Pixel in Pupillen
polarisieren Nachrichten die Netzhaut
löst sich ab mit Anpassung
präparieren wir uns
für die Entkernung vom Fleisch
in den Ohren die Formularsprache
blockt Tatsachen im Raum
verdunstet Vernunft zu homogener Hirnmasse,
sie produziert wirbellose Worttiere,
die wie Menschen sprechen:
die Erkenntnis, "Es werde Licht",
dahinter hochfrequente
Hampelmänner fassen die Zukunft
in Zahlen sprengt die Statistik
den Rahmen und vom Himmel
fallen die Schafe, sie blöken bloß
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